Christian Weber
Finanzwirt
Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein Grad der Behinderung oder gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt (als zum Antragszeitpunkt) vorgelegen haben, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird. Dies kann auch mit der beabsichtigten Inanspruchnahme eines Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b EStG begründet werden.
Der Feststellungsbescheid nach § 152 Abs. 1 SGB IX ist ein Grundlagenbescheid einer ressortfremden Behörde, der nicht den Vorschriften der Feststellungsverjährung (§ 181 AO) unterliegt. Ein bereits erlassener Einkommensteuerbescheid ist dann regelmäßig nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.
Festsetzungsfrist und Ablaufhemmung
Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer grundsätzlichen 4 Jahre (Anlaufhemmung des § 170 AO ist aber zu beachten).
Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Abs. 2 AO, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 des § 171 Abs. 10 AO gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 AO nicht anzuwenden ist, aber nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist (§ 171 Abs. 10 Satz 3 AO).
Aufgrund von § 171 Abs. 10 Satz 3 AO ist daher grundsätzlich eine Änderung des jeweiligen Einkommensteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund des Erlasses eines Bescheids über die (auch rückwirkende) Feststellung des Grades der Behinderung nur möglich, wenn der Steuerpflichtige den Erlass des Feststellungsbescheids bei der zuständigen Behörde vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beantragt hat.
Beispiel: Antragsveranlagung (Festsetzungsfrist 4 Jahre)
Der Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung wird im Jahr 2021 rückwirkend ab dem Jahr 2016 gestellt. Beginn der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2016 ist der 31.12.2016; Ende der Festsetzungsfrist ist der 31.12.2020.
Es sollte daher auf eine rechtzeitige Antragsstellung geachtet werden, um vom Grad der Behinderung – aus steuerlicher Sicht in Form des Behinderten-Pauschbetrags – in vollem Umfang profitieren zu können.
Feststellungsinteresse glaubhaft machen
Auf Seiten der für die Feststellung des Grades der Behinderung zuständigen Ämter kann das Problem bestehen, dass eine rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung für sehr weit zurückliegende Zeiträume nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Daher ist ein Feststellungsinteresse für einzelne Zeiträume - aus steuerlicher Sicht – glaubhaft zu machen. Nach einem Urteil des BSG vom 16.2.2012 (B 9 SB 1711 R), kann die Glaubhaftmachung des besonderen Feststellungsinteresses durch Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen Finanzamts erfolgen. Aus dieser Bescheinigung sollte sich ergeben, für welche Zeiträume die Festsetzungsverjährung der Einkommensteuerfestsetzungen noch nicht eingetreten ist.
Im Beispiel-Fall besteht demnach ein steuerliches Interesse für die rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung nicht für 2016, sondern erst für die Zeiträume ab 2017.
In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass die Behinderten-Pauschbeträge ab 2021 verdoppelt und schon ab einem Grad der Behinderung von 20 gewährt werden (s. hierzu die News "Behinderten-Pauschbetrag und Pflege-Pauschbetrag werden stark erweitert").
Schlagworte zum Thema: Einkommensteuer, Behinderung, Arbeitnehmerbesteuerung
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